2z. Die Lilie und die Rose.
Sagt mir, ihr holden Töchter der rauhen, schwar-
zen Erde, wer gab euch eure schöne Gestalt? denk
wahrlich von niedlichen Fingern seyd ihr gebildet.
Welche kleine Geister stiegen aus euern Kelchen em-
por? und welch Vergnügen fühltet ihr, da sich Göt-
tinnen auf euern Blättern wiegten? Sagt mir,
friedliche Blumen, wie theilten sie sich in ihr er-
freuend Geschäft? und winkten einander zu, wenn
sie ihr feines Gewebe so vielfach spannen, so viel-
fach Zierten und stickten. —
Aber ihr schweigt, holdselige Kinder, und ge-
nießt eures Daseyns. Wohlan! mir soll die leh-
rende Fabel erzählen, was euer Mund mir ver-
schweigt.
Als einst, ein nackter Fels, die Erde dastand:
siehe, da trug eine freundliche Schaar von Nymphen
den jungfräulichen Boden hlnan, und gefällige Ge-
nien waren bereit, den nackten Fels zu beblümen.
Vielfach theilten sie sich in ibr Geschäft. Schon un-
ter Schnee und im kalten kleinen Grase fing die be-
scheidene Demuth an, und webte das sich verber-
gende Veilchen. Die Hoffnung trat hinter ihr
her, und füllte mit kühlenden Düften die kleinen
Kelche der erquickenden Hyacinthe. Jetzt kam, da
es jenen so wohl gelang, ein stolzer, prangender
Chor vielfarbiger Schönen. Die Tulpe erhob ihr
Haupt : die Narzisse blickte umher mit ihrem schmach-
tenden Auge.
Viele andere Göttinnen und Nymphen beschäf-
tigten sich auf mancherlei Art, und schmückten die
Erde, frohlockend über ihr schönes Gebilde.
Und siehe, als ein großer Theil von ihren Wer-
ken mit seinem Ruhm und ihrer Freude daran ver-
blüht war, sprach Venus zu ihren Grazien also:
Was säumt ihr, Schwestern der Anmuth? Auf!
und webet von euern Reizen auch eine sterbliche,
sichtbare Blüthe. Sie gingen zur Erde hinab, und
Aglaja, die Grazie der Unschuld, bildete die Lilie:
Thalia und Euphrosine webten rnit schwesterlicher
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Dramatische Darstellung. 163
Jld. Dank es diesem vortrefflichen Manne,
basi ich es noch bin. Mutt: Er sah sie einmal nur,
im Kreis seiner Legalen Md Centurionen. Die
übrigen'drei Tage hak sie Me?Meiner Obacht ge-
lebt. — A. (wieder Scipivs Rechte fassend)
Scipio! Scipio! giebt es kein Meer, das ich für
dich durchschwimmen, kein Ungeheuer , das ich dir
bändigen, keinen Tod, den ich für dich erbeuktn
soll? Befiehlbefiehl ! und laß nur den" klein sien
Th'ech meiner Schuld durch eine solche Thätlich dir
bezahlen. — S. (ihn ümärmend) Edler', ;|ungéfe
Mann, schon deine Freudr bezahlt mich mit einem
Wucher, , der mir fasi mchillig scheint.—Mutt.
Und darf ich dieser Freude des Allucins noch einige
Worte, erhabner Imperator, hinzufügen. Fs. Sprich
ohne Ümfchweif!.—. Müft. Ehe'mein Gemahl ütth
seine, Blutsfreunde vefirell Ehelmllkh noch erfuhren,
als' sie. nur wußten,,d.aß,I1dcacrde noch lebe, da
hatten sie scholl., um ihren Liebling zu lösen, fünf-
zig Talente zusammengebracht, und als sie gestern
von mir deine sanfte Behandlung erfuhren, haben
sie mit Freuden diese Summe verdoppelt, legen-sie
hier (Sklaven treten mit den Geldsäcken auf ein gex
gebnes Zeichen herein) zu deinen Füßen nieder, und
beschwören' dich durch meinen Mund,: Verschmähe
nicht, was.nur.ein schwaches Kennzeichen unsers
Danks, und'nicht M Lsfegèjd. zu nennen- fisi. ì
S. Mit Nichten', edle Frau! Meine und meiner
Ahnen Sitte war es nie, von Freunden Geschenke
zu nehmen! sie ihnen zu geben, dünkte- uns ein
größres Glück. — Mutt.' Imperator, 'ich stehe
nicht ans, bevor du mir diese Bitte gewahrest^
sknieel nledek) Jld.-'(,d es gleichen) Ich mnß deine
Gefangene, selbst Wider),deinen Willen, bleiben,
rvenn du Meiner Freunde Z'oll allzugroßmüthig aus-
schlägst. . Für mich sind diese, hundert Talente zwar
nicht.zuviel, doch für dich diel zu wenig. A. (ein
gleiches thuend) Nur vor Altären beugte ich zeither
Meine Kniee; Feldherr, der du mir mehr als ein
Halbgott scheinest, laß es nrich jetzì vor dir nicht
k 2
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland]]
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164 ' Fünfter Abschnitt.
vergebens beugen. .Heine Großmuth hat mich neu
belebt; das Uebermagß derselben droht mich zu töd-
ten. ----S. Steht auf, meine Freunde! Jedes
allzulange Sträuben artet in Hartnäckigkeit aus.
Ich will annehmen, was ihr mir darbietet, (zu den
Sklaven)..Legt es hiehêr! — Allucius, von mei-
nen Händen empfange hier ein Mädchen, eben fo
werth, der Frauen Krone zu werden, als sie bisher
der Schmuck der Jungfrauen war; und wenn meine
Selbstbezwingttng euch anders erfreut, so versprecht
mir eines nur dafür zum Lohn. Alle drei. Was?
ö was? gebeut! S. Schwörst du mir Gewährung,
Allucius ? A. Tausend/ Schwüre statt eines. —
S. Wohlan, so sind außer Schönheit und Tugend,
außer den Geschenken, die ihr Vater vielleicht die
schon zubereitet, jene hundert Talente — Jldeger-
dens Drautschatz. Alle), Unmöglich! Nimmer-,
mehr! — A. Eh' mein Leben - - S. (ernst) Prinz,
deine tausend Schwüre? Gedenk ihrer! sie bin-
den ! — Zwar hätt' ich noch einen Wunsch. Doch
freiwillig mußt du ihn erfüllen. Ungebunden oder
gar nicht! A. (eifrig) O, fordre! rede! gebeut!
S. Findest du andeks einen redlichen Mann in mir,
so wisse: Mein Vater, mein Oheim, alle meine Vor-
fahren charen es nicht minder! So wisse noch mehr:
Geschlechter, wie das meinige, giebt es zu Taufen-)
den in Nom! — Allucius, sey von nun an dieser
Römer'bundesgenosse! Sey es, und du wirst
künftig gern gestehen: die Erde hat kein Volk, das
man sich minder zum Feinde und stärker zum Freun-
de wünschen soll! A. (hastig) Leb wohl! S. (et,
was erstaunt) Wohin? — A. Laß mich! Laß mich!
Selbst an meinem Hochzeittage flieg' ich von dan-
nen : lasse alle jene Haabe , mit der du mich so mild
beschenktest, laß Jldegerden selbst zurück; will die
Fluren der Celtiberier durchstreifen; will überall
laut rufen: Mit mir! mit mir, meine Brüder! Zu
den Fahnen eines Jünglings , den Göttern an Ge-
stalt und Tugend ähnlich! Unüberwindlich in Waf-
fen, doch unübertrefflicher noch an Milde und Edel-
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127
Briefe.
was Sie eben so natürlich als billig finden wer-
den, — höre auch nicht auf wider diese Behauptung
Einsprache zu thun. Dieser offnen Fehde ungeach-
tet, sind beide Schwestern dahin übereingekommen,
Sie zu bitten, daß Sie selbst diese Streitfrage doch
weder jetzt noch \t in Zukunft entscheiden möchten.
Leben Sie wohl! Dre Vorsehung wache huld-
reich über die Heiterkeit Ihres Gemüthes und den
Frieden Ihrer Seele.
2. Ein Brief von I. G. Jakobi an
seinen Bruder.
Ueber den Tod des blinden Dichters Pfeffel.
An wen sollte ich in meiner Trauer um Pfeffel
mich eher wenden, als an dich, mein Lieber, mit
dem ich seit den Kinderjahren so manchen gemein-
schaftlichen Verlust beweinte, und der in meinem
eignen Leiden mir oft so tröstend die Hand bot?
Du sahest ihn nie, den brüderlichen Freund unsers
verewigten Schlosser und den meinigen; aber Du
liebtest ihn, wie er Dich liebte, redetest von ihm mit
eben der Empfindung, mit welcher er über jeden
kleinen, Dich betreffenden, Umstand mich befragte;
und selbst seine ehrenvolle Aufnahme in die Akade-
mie der Wissenschaften, deren Vorsteher Du bist,
war ihm als Erfüllung eines, zuerst von Dir öffent-
lich ausgesprochnen Wunsches, doppelt theuer. Wer
also weiß besser, als Du, was ich verlor? Ach, und
seitdem Schlosser diese Gegend verließ, war er von
meinen alteren Freunden de^ einzige, der in mei-
ner Nahe lebte! In wenigen Stunden konnten
wir am diesseitigen Rhein - Ufer zusammentreffen,
wo wir einander wechselsweise nach Freiburg oder
nach Colmar abholten. Welch ein Augenblick dann,
wenn vor dem Gasthofe der Wagen des früher
angekommenen Freundes schon da stand, und die
/ f •
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L?2 Fünfter Abschnitt.
Der Fürst. Keiner da? Keine Antwortt
V Der Edelknabe (wirft sich herum und murr
welt.) Ich bin ja nur jetzt — nur so eben — Ich
habe ja noch so wenig----
Der Fürst. Das spricht doch. Wer wäre denn
das? -- Lindem er den Schirm von der Lampe zur
rück schlägt und hinsieht.) Ach! ists möglich? Das
Kind? — Hat das bei mir, oder hab ich bei ihm
wachen sollen? Was hat man gedacht?
Der Edelknabe (ist aufgetaumelt und reibt
sich die Augen.) Gnädigster Herr? —
Der Fürst. Komm, komm, Kleiner! Ermun-
tere dich! — Zieh deine Uhr heraus? Meine hier
ist mir abgelaufen.
Der Edelknabe (hält sich an die Armlehne
des Sessels und nickt.) Wie? — wie, gnädigster
Herr?
Der Fürst (lachend.) Du bist trunken vor
Schlaf. Du machst die drolligste Figur von der Welt.
Ich möchte dich gleich so gemalt haben. — Die Uhr,
sag ich, die Uhr sollst du herausziehn. Du sollst
sehn, was die Zeit ist.
Der Edelknabe (indem er langsam naher
tritt.) Die Uhr, gnädigster Herr? — Ach verzeihn
Sie! Ich habe keine.
Der Fürst. Du träumst noch. Was wolltest
du keine Uhr haben?
Der Edelknabe. Ich habe noch nie eine
gehabt.
Der Fürst. Noch nie? Das ist viel.— Dein
Vater schickt dich hieher, und giebt dir nicht einmal
das Nothwendigste? das Einzige, was du zu mei-
ner Aufwartung brauchst? —
Der Edelknabe. Ja, wenn ich noch einen
Vater hatte!
Der Fürst. Du hast keinen mehr? —
Der Edelknabe. Er ist gestorben, eh ich zur
Welt gekommen. Ich hab ihn niemals gekannt.
Der Fürst. Du armer Knabe! — Aber so
konnte doch deine Mutter, dein Vormund —
Der Edelknabe. Meine Mutter, gnädigster
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Dramatische Darstellung. 177
Der Fürst (nachsinnend.) Von Detmund?
Von Detmund? — Hatt' ich nicht unter meinen
Truppen einen Major von Dermund? —
Der Hauptmann. Ganz recht, gnädigster
Herr.
Der Fürst. Dergleich im ersten Feldzuge blieb?
Der Hauptmann. Im ersten Feldzuge!
Ganz recht! ■*— Das war der Vater des Fahndrichs
und dieses Kleinen. — Es war ein rechtschaffner
Mann. Er stieg auf eine Sturmleiter, als wenn er
zum Tanze ginge. Er hatte Herz, wie ein, Löwe.
Der Fürst. Und wie ein Mensch! Das will
noch mehr sagen, Herr Hauptmann. — Ich erinnre
mich seiner sehr wohl, und ich wünschte —
Der Haupt mann (einen Schritt näher tre-
tend.) Was wünschten Ew. Durchlaucht?
Der Fürst. Mit seiner Wittwe zu reden.
Der Haupkmann. Das können Sie diesen
Augenblick. Sie ist hier.
Der Fürst. Sie ist hier? — Schicken Sie
zu ihr, Herr Hauptmann! So bald sie auf ist, soll
sie hieher kommen. — Ich will sie sehn, und will
ihr das Kind wieder zurück geben.
Der Hauptm. chittend.) Gnädigster Herr ^
Der Fürst. Doch darf ihr das nicht gesagt
werden. Gehn Sie! (der Hauptmann geht ab.)
Siebenter Auftritt.
Der Fürst. Der Edelknabe (schlafend.)
Der Fürst. So arm! Durch den Krieg! «—
Wie viel Elend macht doch der Krieg! — Wie viel
Familien mögen nicht über ihn seufzen! — Gut,
daß sie nur über ihn, und Nicht über mich seufzen!
Ich nahm aus Nothwendigkeit Theil daran;- nicht
aus Neigung. —• (aufstehend.) Doch heraus! Es
ist Tag — der Friede hat immer auch sein Schlim-
mes. Er macht wollüstig und träge. — ( Nach etr
nigem Auf, und Nieoergehen bleibt er an dem Sessel
stehen, in welchem dee Knabe schläft.) Ein holder
H M
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Dramatische Darstellung» 179
„mich betraf, blieb ich standhafte so lange ich nur
„an mich dachte; die Thränen kamen erst dann,
„wenn ich auf Dich sah. —
Viel Zärtlichkeit! Viel Gefühl, Wie es scheint!
— Und wenn sie nur eine eben fo gute Frau ist, als
Mutter-— Doch warum nicht? — Gewißganz
gewiß!
„<Ko gern ich nun wollte, fo kann ich Dich nicht
„selbst den Weg zur Glückseligkeit führen: Ich must
„hier in der Entfernung stehen bleiben; aber mit
„aller Kraft, die mir die Liehe giebt, will ich Dir
„nachrufen, fo lange ich dich errufen kann, und will
„Dich bitten, daß Du die rechte Straße gehest. —
„Liebstes Kind! Mit dem Gehorsame, den Du mir
„stets erwiesen hast, trage diesen Brief immer bei
Dir! —
(Einen Blicr auf den Knaben.) Er war gehöre
sam. Er hat es ehrlich gethan.
„Und wenn Du deine Pflicht übertreten, werm
„Du die Ermahnungen brechen willst, die ich'noch
„mit dem letztem Abschiedskusse, mit den letztem
„Thränen Dir zurief; — 0 dann, mein Kind! danrt
„erinnre Dich dieses Briefes und überlies ihn k
„Erinnre Dich einer Mutter, die in ihrer Einsam-
„keit keine Freude kennt, als Hoffnung, die Du ihr
„giebst —
Keine sonst? — Hat er nicht einen Bruder?
„Erinnre Dich, daß Du sie vor Kummer ins
„Grab bringen, daß Du eben das Herz durchbohren
„würdest, das Dich aus Erden am meisten liebt. —
Sie fühlt seine Gefahr. Sie hat sehr Recht;
denn er ist in Gefahr. — Und konnte fies wagen?
Konnte sie den Entschluß fassen? —
„Ich schreibe das nicht aus Mißtrauen zu Dir:
„Dein Betragen hat mir keine Ursache dazu gege-
„den. — Nein, mein Kind! nein! Du hast meine
„Thränen um Deinen Bruder gesehen; Du wirst mir
„den Kummer nicht machen, den Er mir machte. —*
Also der Aelrere? — der Fahndrich? — Das
muß ich näher erfahren.
„Du warst immer gut, immer gehorsam, immer
M s
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i8o Fünfter Abschnitt.
„kindlich gesinntdieses Zeugniß gebe ich Dir mit
„Freudenthränen. — Fahre so fort,, wie Du ali-
stigst, und werde ein rechtschaffner Mann! Dann
„hast Du keine arme und unglückliche Mutter mehr:
„Du hast eine reiche und eine glückliche Mutter. —
Sehr wohl! Sie gefällt mir. — Das Unglück,
scheints, hat sie nur erhoben, statt sie niederzu-
drücken. "
„Zu Ende Deines Briefes schreibst Du, daß
„alle Deine Mitpagen Uhren hätten. Ich merke Dirs
„an, wie sehr auch Du eine zu haben wünschtest;
„aber Du brichst davon ab, und unterdrückst Deinen
„Wunsch. Eben um dieser Bescheidenheit willen
„geht mirs ans Herz, daß ich ihn nicht soll erfüllen
„können. Aber vergieb mir, mein Kind! Ich kann
„nicht. So eben zeigt sich die Nothwendigkeit, nach
„der Hauptstadt zu gehen; das wird mir alles das
„Wenige hinnehmen, was ich noch habe. Doch
„laß auch diese Ausgabe nur überstanden seyn! und
„ich will mich aufs äußerste einschränken; ich will
„mir alles versagen, um, wo möglich, Deinen
„Wunsch zu befriedigen. Was nur immer in mei-
„nen Kräften ist, das will ich für meinen Liebling
„thun, damit es ihm nie an Ermunterung zur Tu-
„gend und zum Gehorsame fehle. — Ich sehe Dich
„nun wieder, und bin" — —
Vortreffliche Frau! — Ich will den Brief mei-
ner Gemahlin zeigen. Ich will ihn bei mir behal-
ten.— Doch nein! Es ist der ganze Reichthum des
Knaben. (Er steckt ihn wieder in die Tasche, ans der
er ihn gezogen hatte.) — Wie süß er noch schläft! —;
Seinen Kindern , sagt man, giebt der Himmel ihr
Glück im Schlafe; und bei ihm wird das wahr wer-
den. Sein Glück ist gemacht. — (Er nimmt ihn bei
der Hand.) Kleiner! — Kleiner!— (der Knabe err
wacht, und sieht den Fürsten eine Weile mit weiroffr
nen Augen an. Der Fürst ihn wieder.) Sehr drolligt,
beim Himmel! — Komm! Ermuntre dich. Kleiner!
Es ist jetzt Tag, und du kannst hier nicht länger
schlafen. Steh auf!
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r3d Fünfter Abschnitt.
Wort muß er erfahren! — Was ist denn aber vor,
gefallen? Was hats denn gegeben?
Der Edelknabe. Allerhand! Ich weiß selbst
nicht recht, was? -- So viel weiß ich, daß sich
meine Mutter sehr übel darum gehabt; daß sie sich
schon einmal ganz bloß gegeben, um es nur bei Zei-
ten zu unterdrücken — (ganz ua.be an ihn hinainrer
rend und leise.) Er hatte, sagte sie, unglücklich wer-
den; er hatte vom Dienst kommen können.
Der Fürst. Vom Dienst? Ei, wie das?
Der Edelknabe. Ja, das kann ich nicht sa-
gen, gnädigster Herr.
Der Fürst. Mir wohl! Warum nicht? —
Der Edelknabe. Man hats mir selbst nicht
gesagt.
Der Fürst (lachend.) Da hat man sehr klug
gethan. Das ist denn freilich ein anders. — Also
wieder auf dich zu kommen: Du hattest vorhin
keine Uhr. Hast du wohl deiner Mutter um eine
geschrieben?
Der Edelknabe. Ein einzigs mal, aber nicht
wieder!
Der Fürst. Ich merk's. — Ganz gewiß hat
sie dir einen Verweis gegeben?
Der Edelknabe. ^ Ach nein, gnädigster Herr?
Sie will sich behelfen, schreibt sie, um mir so viel
zu ersparen, und sie behilft sich so schon so elend. —
Das jammert mich viel zu sehr.
Der Fürst. Das muß dich auch jammern. Ein
guter Sohn sollte seiner Mutter nicht neue Sorgen
machen; er sollte wünschen, daß er ihr helfen könn-
te. — — Und eine Uhr — Wenns nur um eine
Uhr zu thun ist! die wäre ja wohl noch sonst zu be-
kommen. — (indem er eine Börse herauszieht.) Sieh
hier, kleiner Moritz! Da hatte ich zwölf Dukaten
erübrigt, die ich verschenken könnte, — und — ich
will sie verschenken. Herdeine Hand! (der Knabe
halt die Hand hin, und indem der Fürst zählt) —
Der Edelknabe. Sollen sie mein, gnädik-
srer Herr?
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i44 ' Vierter Abschnitt.
Ich schwöre Dir bei allen Winden, die uns von dein
Hafen zu Bourdeaux aus bis an die holländische
Küste trieben, daß wahrend meinem Hinüberschwe-
den mir nicht eine unmuthige Stunde, kein trüber
Augenblick in den Flug kam, außer da ich mit An-"
bruch des letzten Morgens meines Dolontair-Dien-
stes, von dem Hurra des Schiffsvolks geweckt, ein
Land aus dem Nebel hervorleuchten sah, das ich
beim Schlafengehen noch hundert Meilen entfernt
glaubte, und da bald nachher ich, indeß mein Koffer,
Tagebuch und Puderbeutel in ein kleineres Fahrzeug
geladen ward, das wie ein Sarg auf mein Hinein-
steigen wartete, thränend an der Brust meines guten
Capitains, vor Schmerz kaum ein abgebrvchnes Le-
bewohl stammeln konnte. Ich athmete noch schwer,
als ich schon am Ufer stand, wüßte vor Betäubung
nicht, wie viel oder wie wenig ich den beiden Ma-
trosen, die mich herüber gerudert hatten, als Bei-
trag zur allgemeinen Trink-Kasse aus meiner Geld-
börse in den Hut warf, und winkte mit dem meinen
so lange noch dem lieben Schiffs-Patron zu, bis
mich ein andrer Führer sehr verschiedenen Ansehens
in einen räderlosen Wagen nöthigte, und wie einen
armen Sünder zum Richtplatz von Schevelingen
nach Haag, und von da mit einem untergelegten
Pferde nach der Leydener Treckschüte hinschleifte.
6. Zollikofer an Garve.
Leipzig, den 22. Aug. 1779.
Endlich, mein liebster Freund, hat mich das
traurige Schicksal wirklich getroffen , das mir schon
so lange drohte. Ich habe sie verloren die treue
Gefährtin durch einen fo beträchtlichen und den
besten Theil meines Lebens Ehegestern, den i9ten
dieses, Hat sie mir der Tod entrissen. Aber doch ein
sanfter, sanfter Tod, ein bloßer Schlummer ohne
Aufwachen — ein Tod, so wie sie sich ihn gewünscht,
f*
TM Hauptwörter (50): [T37: [Gott Mensch Herr Herz Leben Wort Welt Himmel Tag Hand], T33: [Kind Vater Mutter Frau Mann Jahr Sohn Gott Haus Eltern], T24: [Schiff Meer Insel Küste Land Fluß See Wasser Hafen Ufer]]
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